09.07.2017 Köln E-Werk - Itchy und Bad Religion

Im Rock ’n’ Roll Business weißt du nie was passiert! Oder ob es passiert! Am 09.07.2017 ist es passiert, aber mehr dazu später.

Wie ein kleines Kind hab ich mich schon den ganzen Tag auf den bevorstehenden Abend gefreut. Verabredet bin ich mit Itchy in Köln, die heute den alteingesessenen Bad Religion Fans das Schwitzen lehren, bevor die Grand-Masters of Punk die Bühne betreten.

Ca. eine Stunde vor Konzertbeginn wollte ich die heiligen Hallen des E-Werks betreten, um noch ein paar Backstage-Aufnahmen von Band und Equipment zu schießen. Dass der Weg dorthin so steinig ist und ich bis zuletzt nicht wusste, ob es klappt, war mir eigentlich schon vorher klar.

Pünktlich um 17:00 Uhr fahr' ich mit gepackter Kameratasche, Wechselklamotten und vollem Tank nach Köln. Da das E-Werk top angebunden und der Verkehr überschaubar ist, bin ich schon nach ca. 25 Min. am Bestimmungsort. Den letzten guten Parkplatz ergattert! Auf gehts!

Ich rufe den Bandmanager wie verabredet an, der mir mitteilt, dass ich mir Fotopass an der Kasse abholen soll. Eine riesige Menschenmenge steht Schlange und ich frage mich bei den Securities durch, wo ich mich für den Fotopass anstellen muss. Zum Glück sind hier nur ca. 10 Leute vor mir. Zwischendurch werden ich und mein Gepäck mehr als kritisch vom Sicherheitspersonal beäugt. In den Augen eines übermotivierten Securities, der doppelt so groß und breit ist wie ich, erkenne ich den Satz: „Du kommst hier nicht rein mein Freund!“

Als ich endlich dran bin, lege ich meinen Personalausweis vor und sage den netten Mitarbeitern, dass ich heute Abend Fotos mache. Die Beiden hinter der gepanzerten Glasscheibe durchwühlen irgendwelche Listen und entgegnen mir: „Du stehst hier nicht drauf!“ - Sollte dieser Fleischberg an Security Recht behalten? Folgender Dialog ergab sich hieraus:
„Für wen fotografierst du denn?“
„Für Itchy!“
„Für wen?“
„Itchy, die Opener-Band!“
„Kenn ich nicht... Kann das sein, dass die vor Bad Religion spielen?“
„Ja, genau, die!“
„Ach sooo die spielen nebenan im E-Werk... hier spielen heute Abend Evanescence.“

OK! Alles auf Anfang. Als ich rüber zum E-Werk gehe, nahmen die Menschenmassen rapide ab und rückblickend betrachtet macht hier nun auch das Outfit der Fans deutlich mehr Sinn! Alle Türen sind hier noch verschlossen und ich laufe schnurstracks auf einen jungen Sicherheitsbeauftragten zu, mit dem ich es von der Statur gesehen locker aufnehmen könnte, werde aber von - nennen wir ihn mal „El Kanto“ - abgefangen!
„Wohin willst du?“
„Ich mache hier heute Abend Fotos und wollte fragen, wo ich den Ausweis bekomme!“
„Erst wenn Einlass ist! Rechte Tür!“
„Wann wäre das ungefähr?“
„Wenn die Türen aufgehen!“

Kurzzeitig überlege ich, ob wir hier einen „Issue“ haben und ich das Thema eskalieren soll, erinnere mich aber dann daran, dass ich nicht als Unternehmensberater in einem Konzern unterwegs bin, sondern als Fotograf bei nem Punk-Konzert. Ich belasse es dabei und hocke mich auf die Betonstufen vor dem Eingangsbereich.

Ca. 20 Minuten später wird das Flatterband entfernt und die Türen gehen auf. Ich stehe tatsächlich auf der Liste und bekommen Foto- und Backstagebändchen. „Nur die ersten drei Songs ohne Blitz!“ - Mit der Band war zwar was anderes besprochen aber warten wir mal ab...

Jetzt erstmal ein kühles Bier mit der Band, also auf gehts Richtung Backstage. Als ich dem Security mein Bändchen zeige, stellt er mir die Frage:
„Wohin willst du?!“
„Zur Band“
„ICH WEIß NICHTS DAVON, DASS HIER IRGENDJEMAND ZUR BAND GEHEN DARF!“
„Das ist mit dem Management so abgesprochen“
„Dann ruf das Management an!“

Leider war Niko in genau diesem Moment nicht zu erreichen. Aufmerksamerweise hatte sich der Security parallel noch mal erkundigt, ob „irgendjemand“ vielleicht doch zur Band darf und ich wurde schließlich durchgewunken.

Da kleben die Schilder an den Türen: Itchy Dressing Room, Bad Religion Production, Bad Religion Dressing Room. Der Itchy Dressing Room ist derzeit unbelebt und gar nicht mal so nicht unkomfortabel! „Nett hier“ denke ich mir und packe erstmal aus.

Hier und da sehe ich schon das ein oder andere Bad Religion Bandmitglied über die Flure huschen und kann nicht glauben, dass es wirklich passiert!

Ab dann ging alles rasend schnell. Band und Management nehmen mich herzlich in Empfang und ich habe das Gefühl, dass alle sich genauso freuen wie ich mich. Wer nun glaubt, dass die Diskussionen mit dem Sicherheitspersonal vorbei sind, wiegt sich in gefährlicher Sicherheit.

Bald geht das Konzert los und ich habe mir vorgenommen neben Fotos auch Video-Footage zu produzieren. Da geht eine halbe Stunde Konzert verflixt schnell um! Die ersten Songs arbeite ich von der Bühne aus, da der Fotograben noch mit Pressefotografen gefüllt ist. Nach den ersten drei Songs kann ich da ja ungestört arbeiten... denke ich...

Am Ende des dritten Songs klettert Sibbi rockstarmäßig auf seinen Gitarrenkoffer, der vom Publikum festgehalten wird. Hier muss ich nah ran und arbeite aus dem Graben. Als der vierte Song beginnt war der Graben leer und ich hatte alle Bewegungsfreiheit. Bis sich mein alter Freund mir näherte! „Raus hier! Nur die ersten drei Songs!“

Die restlichen Dialoge erspare ich euch. Am Ende aber liegen Security und ich uns in den Armen und machen Witze über das harte Road-Leben und freuen uns über den gleich beginnenden Auftritt von Bad Religion.

Ich könnte noch endlos weiter schreiben, wie unglaublich, surreal, wunderbar, herzerwärmend und schön dieser Abend für mich war und bedanke mich von ganzem Herzen bei Itchy! In Liebe und größter Hochachtung für das, was ihr da abreißt!

-Sebastian-

p.s.: Großer Dank auch an die Securities, die wirklich einen super Job machen und sicherstellen, dass man in diesen verrückten Zeiten bei einem Punk-Konzert für ein paar Stunden vergessen kann, wie verrückt diese Zeiten sind!

p.p.s: wer das neue Album von Itchy „All we know“ noch nicht ergattert hat, sollte dies zügig tun, um bei der anstehenden Tour auch textsicher zu sein. Can’t wait for it!

Hier übrigens der Link zum Itchy Tour Tagebuch: Itchy-Tour-Tagebuch