Wann ist man schon mal Tourist in der eigenen Stadt? Wenn man ehrlich mit sich ist, eigentlich viel zu selten! Umso mehr freue ich mich, Sibbi am heutigen Vormittag durch die Stadt zu führen. Da ich natürlich auch nicht alles weiß, hab ich mir mit nem starken Kaffee im Bett noch aktuellen Wikipedia-Klugscheißer-Shit ins Kurzzeitgedächtnis gepresst (dies verrate ich aber keinem, um vorzutäuschen, ein vorbildlicher Städteguide zu sein). Gegen Anbruch des Mittages wird Sibbi wach und wir ziehen los. Nach einer Maximaldosis komprimiertem Wissens über die Kiefernstraße ist meine angeeignete Sachkenntnis leider schon erschöpft.
Ich versuche trotzdem den Schein aufrechtzuerhalten und antworte auf Sibbis Frage „was ist das denn für ein wunderschönes historisches Gebäude“ gekonnt mit: „ich hab keine Ahnung Alter, sieht aus wie ne Art Kirche!“
Wir sind also schon in der Altstadt angekommen und erklärtes Ziel ist ein guter Espresso. Glücklicherweise sind wir beide gleich spontan und entscheiden uns kurzerhand für einen leichten und gesunden Zwischensnack. Ein frisches Brötchen mit Krautsalat und einer hauchdünnen Scheibe Spießbraten als Garnitur.
Nachdem ich den Spießbratenbräter freundlich begrüße, wundere ich mich über die Tatsache, dass wir komplett ignoriert werden. Ich versuche die Situation aufzuheitern und frage freundlich, ob es schon Frühstück gibt. „Gibt’s nicht“ bekomme ich entgegengeschmettert. „Wir würden gerne zwei von diesen leckeren Brötchen haben.“ - Keine Sorge beschwichtige ich Sibbi, hier im Rheinland ist man etwas rabiater! Der Bräter dreht sich weg und sagt „nur draußen!“
Wortlos gucken Sibbi (übrigens: schöner Name!) und ich uns beide an und sind uns einig, dass wir die Sache aussitzen! Also ab nach draußen. Es dauert ca. 10 Min., bis eine Kellnerin mürrisch unsere Bestellung aufnimmt, ohne Blickkontakt zu uns aufzunehmen. Anschließend beobachten wir drei Bratenbräter, wie sie im Inneren der Bratenbräterei quatschen, eine Kleinigkeit essen und Spaß haben. Als zwei wohlgenährte Touristen mit Kater vom Vorabend die Bratenbräterei betreten, werden sie freundlich bedient und bekommen innerhalb von 1 Min. 30 Sek. zwei perfekt gestapelte Brötchen auf die Faust.
Als ich Sibbi versichere, dass mir sowas ständig passiert, will er’s wissen. Er geht nun allein zu unserem speziellen Freund und fragt mit leicht schwäbischem Akzent: „Gibt’s jetzt doch schon was auf die Hand?“ Und auch Sibbi bekommt innerhalbt von 1 Min. 30 Sek. den lang ersehnten Zwischensnack. Ich habe inzwischen sehr sehr lange darüber nachgedacht und mir ist nur eine logische Erklärung eingefallen:
In Düsseldorf scheint ein übler Gastronomie-Tester sein Unwesen zu treiben, der sich ähnlich stilsicher wie ich kleidet und scheinbar eine gewisse Ähnlichkeit zu mir hat. Nach etlichen kostenlosen Verköstigungen muss er allen Restaurants in der Stadt die schlechteste Punktzahl gegeben haben. Ich werde schlicht und einfach verwechselt! Klassiker!
Für die Stadtführung wurde bestes Wetter geliefert. Scheinbar war der Wettergott bei der Messfeier im Sankt Peter in Frankfurt anwesend und ihm gefiel was er sah.
Wir schlemmen uns durch feinste Köstlichkeiten der Stadt, verbrauchen 4 Espressi auf 10 Metern und hätten noch diverse Ideen, was man alles essen könnte.
Zu Fuß geht’s aber irgendwann zurück zum Zakk, da der Soundcheck pünktlich anfangen, aber spätestens um 15:30 Uhr vorbei sein muss. Mir wurde erklärt, dass Stuttgart gegen Hoffenheim spielt. Meine Frage nach der Sportart bleibt kopfschüttelnd unbeantwortet.
Im Zakk angekommen gibt’s allerhand zutun. Diverse Dinge mit Vitaminen müssen aufgegessen werden und um den Flüssigkeitshaushalt muss sich auch mal wieder gekümmert werden. Die schöne Biergartenlandschaft des Zakks macht den Tag vollkommen.
Irgendwann startet der Soundcheck, der heute tatsächlich planmäßig verläuft. Ich bin mir nicht sicher, ob der ad-hoc perfekte Bass-Sound in irgendeinem Zusammenhang mit dem gleich beginnenden Fußballspiel steht.
Die zwischenzeitlich äußerst schlechte Übertragung des Spiels auf den Laptop von Max wirft bei mir die dringende Frage auf, ob das Konzert am Abend nicht aus „persönlichen Gründen“ abgesagt werden muss. Es ist ein Wechselbad der Gefühle und irgendwann steht die Verbindung.
An den Gesichtern von Max und Panzer erkenne ich, dass sich das Spiel scheinbar positiv für die Mannschaft in weiß entwickelt. Ich freue mich sehr darüber (eher so innerlich) und genieße in vollen Zügen den Tag mit Itchy in meiner Stadt.
Zwischenzeitlich werde ich noch vom Tonmann erwischt, wie ich eins seiner alkoholfreien Biere trinke, habe ab jetzt aber seine volle Unterstützung dafür. Puh, das war knapp!
Heute supportet übrigens die reizende Band Alex Mofa Gang, die ich schon mehrfach auf unterschiedlichsten Festivals gesehen und als wohlklingend vernommen hab. Ich freue mich sehr darüber und fühle mich besonders von der Wahl einiger ihrer Shirts inspiriert.
Die enge Freundschaft zwischen beiden Bands führt zu viel Liebe und Harmonie im Backstage.
Als die Alex Mofa Gang startet, ist der Saal schon gut gefüllt und das Publikum ist tanzwillig. Die Gang surft auf einem Bügelbrett durch die Setlist als wäre es ein Heimspiel, daher sind die 30 Minuten schneller vorbei als erhofft. Danke ihr Mofas, für den tollen Auftakt! Hoffe, wir sehen uns bald wieder!
Itchy startet pünktlich um 21:00 Uhr - Das Intro läuft und irgendwie liegt eine deutlich spürbare Spannung in der Luft, anders als sonst! Diese entlädt sich mit dem ersten Akkord von Nothing und innerhalb von Sekunden tropft der Schweiß von der Decke. Düsseldorf, du machst mich stolz. Nach dem ersten Song ertönen laute Sprechgesänge, Flaggen werden geschwenkt und alle im Raum verfügbaren Arme klatschen rhythmisch in der Luft. So geht Punk, so geht Leidenschaft!!
Ich kann mich nicht entscheiden, wo ich gerade lieber wäre - im Pit oder im Fotograben. Ich entscheide mich und nehme: beides! Zwei junge Herren verhelfen mir mit einer Räuberleiter zum Crowd-Surfing. Hierbei vergesse ich, dass ich hochsensibles optisches Equipment mitführe, werde vom Sicherheitspersonal fachmännisch rausgezogen und begebe mich schnurstracks ins Pit. Auch hier können gute Fotos entstehen:
Nach der Show lassen wir den Abend bei Pizza und Bier ausklingen, wundern uns etwas, dass wir keinen Hunger haben, tun dieses Gefühl aber als unrealistisch ab. Wer würde denn Pizza verschmähen.
Beim abschließenden Kicker-Spiel stelle ich fest, dass ich im Mittelfeld deutliche Schwächen habe, jedoch im Tor und in der Abwehr mittelmäßig bin.
Danke noch mal für den wundervollen Tag!! Große Liebe!
Sebastian